
Die Jahreszeiten bringen für unsere Pferde nicht nur Abwechslung, sondern auch spezifische gesundheitliche Herausforderungen mit sich. Vom frischen Frühlingsgras über die Sommerhitze bis hin zur Winterkälte – jede Saison erfordert besondere Aufmerksamkeit und angepasste Präventionsmaßnahmen, um das Wohlbefinden und die Gesundheit deines Pferdes ganzjährig zu gewährleisten. Ein proaktives Management, das die jahreszeitlichen Besonderheiten berücksichtigt, ist der Schlüssel, um typischen Erkrankungen vorzubeugen und dein Pferd fit und vital durchs Jahr zu bringen. Dieser umfassende Leitfaden führt dich durch die vier Jahreszeiten und gibt dir praktische Tipps für Fütterung, Haltung, Pflege und Prävention.
Die Natur im Wandel: Pferde passen sich an, wir unterstützen sie
Pferde sind von Natur aus auf die Anpassung an jahreszeitliche Veränderungen ausgelegt. Ihr Fell wächst und fällt, ihr Stoffwechsel passt sich an das Futterangebot an. Doch in unserer heutigen Haltung sind sie oft nicht mehr den ursprünglichen Bedingungen ausgesetzt, was ihre Anpassungsfähigkeit auf die Probe stellen kann. Hier kommen wir ins Spiel: Mit dem richtigen Wissen und vorausschauenden Maßnahmen können wir unsere Pferde optimal unterstützen und potenzielle Gesundheitsrisiken minimieren.
Frühling: Der Aufbruch und seine Tücken
Der Frühling ist die Zeit des Erwachens – für die Natur und oft auch für die Lebensgeister unserer Pferde. Doch der Übergang vom Winter zur Weidesaison birgt auch Risiken, die Pferdebesitzer kennen sollten.
1. Die Krux mit dem Gras: Weideanweidung
Das junge Frühlingsgras ist für Pferde extrem schmackhaft, aber auch reich an Fruktanen und leicht verdaulichen Kohlenhydraten. Ein zu schnelles Anweiden ist die häufigste Ursache für Hufrehe und Koliken.
- Strategie:
- Ganz langsamer Aufbau: Beginne mit 10-15 Minuten Weidezeit pro Tag und steigere dies über mehrere Wochen um jeweils 5-10 Minuten. Ziel sollte sein, das Pferd erst nach 4-6 Wochen für längere Zeit auf die Weide zu lassen.
- Sinnvolle Zeiten: Fruktanwerte sind in den frühen Morgenstunden nach kalten Nächten und bei Sonnenschein am höchsten. Ideal sind späte Vormittagsstunden oder der Nachmittag, wenn das Gras bereits photosynthetisiert hat und die Fruktane abgebaut wurden.
- Raufutter vorab: Füttere dein Pferd vor dem Weidegang mit ausreichend Heu. Ein voller Magen mit langfasrigem Futter beugt der gierigen Aufnahme von Gras vor.
- Kotproben: Vor der Anweidung ist eine Kotprobe sinnvoll, um den Entwurmungsbedarf zu prüfen und das Pferd vor dem Kontakt mit Weideparasiten zu schützen.
2. Der große Fellwechsel
Im Frühling verlieren Pferde ihr dichtes Winterfell und entwickeln ihr dünneres Sommerfell. Dieser Prozess ist für den Organismus sehr energieaufwendig.
- Unterstützung:
- Fütterung: Eine erhöhte Zufuhr von Biotin, Zink, Selen und Kupfer kann den Fellwechsel unterstützen und die Hautgesundheit fördern. Hochwertiges Öl (z.B. Leinöl) liefert zusätzlich essentielle Fettsäuren.
- Pflege: Tägliches, gründliches Bürsten hilft, lose Haare zu entfernen, regt die Durchblutung an und erleichtert dem Pferd den Fellwechsel.
- Bewegung: Moderate Bewegung fördert den Stoffwechsel und damit auch den Fellwechsel.
3. Impfungen & Entwurmung
Der Frühling ist oft der Zeitpunkt für die Auffrischung wichtiger Impfungen (z.B. Tetanus, Influenza, Herpes). Auch die Strategie für die Entwurmung sollte in Absprache mit dem Tierarzt festgelegt werden, idealerweise basierend auf Kotproben, um Resistenzen vorzubeugen.
4. Zahnkontrolle
Vor der Weidesaison ist ein Zahncheck sinnvoll, um sicherzustellen, dass das Pferd das Gras optimal kauen und verwerten kann.
5. Bewegungssteigerung
Nach der Winterruhe sollte die Trainingsintensität langsam gesteigert werden, um Sehnen, Bänder und Muskulatur nicht zu überfordern.
Sommer: Hitze, Insekten und Trockenheit
Der Sommer bringt lange Tage und viel Weidezeit, aber auch spezifische Herausforderungen durch hohe Temperaturen und stechende Plagegeister.
1. Hitzemanagement
Pferde sind hitzeempfindlich. Überhitzung kann zu Kreislaufproblemen und Dehydration führen.
- Strategie:
- Schatten und frisches Wasser: Ständiger Zugang zu schattigen Plätzen auf der Weide und im Paddock. Immer ausreichend frisches, sauberes Wasser anbieten. Im Stall für gute Belüftung sorgen.
- Arbeitszeiten anpassen: Intensive Trainingseinheiten in die kühleren Morgen- oder Abendstunden verlegen.
- Abkühlung: Abspritzen der Beine oder des gesamten Pferdes mit kühlem (nicht eiskaltem) Wasser nach dem Training oder bei starker Hitze. Schweiß nach dem Abspritzen gut abziehen, um Unterkühlung zu vermeiden.
- Salzlecksteine: Fördern die Flüssigkeitsaufnahme und gleichen Elektrolytverluste durch Schwitzen aus. Bei starker Arbeit können Elektrolyte zugefüttert werden.
2. Insektenschutz & Sommerekzem
Fliegen, Mücken, Bremsen – im Sommer sind Insekten eine Plage. Für Sommerekzemer sind sie sogar eine Qual.
- Strategie:
- Repellents: Einsatz von Fliegensprays. Die Wirksamkeit variiert, regelmäßiges Auftragen ist wichtig.
- Fliegenmasken und -decken: Schützen Augen, Ohren und den Körper vor Stichen. Bei Ekzemern sind spezielle Ekzemerdecken unerlässlich.
- Weidezeiten anpassen: Bei Ekzemern Weidegang in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden, wenn die Kriebelmücken weniger aktiv sind.
- Stallhygiene: Regelmäßiges Misten, um Fliegenbrutplätze zu reduzieren.
- Ernährung: Bei Ekzemern kann eine spezielle Fütterung (z.B. schwefelhaltige Zusätze, Leinsamen, Zink) das Hautbild verbessern.
3. Weidemanagement im Sommer
Längere Trockenperioden können das Gras knapp werden lassen und die Gefahr von Giftpflanzen erhöhen, die nun eher gefressen werden.
- Strategie:
- Wechselweiden: Überweidung vermeiden, Grasflächen regenerieren lassen.
- Giftpflanzenkontrolle: Regelmäßiges Absammeln von Giftpflanzen auf Weiden und Paddocks. Besonders vorsichtig sein mit Kreuzkraut!
- Heu zufüttern: Wenn das Gras knapp wird, sollte auf der Weide oder im Paddock Heu zur Verfügung gestellt werden, um die Raufutterversorgung zu gewährleisten.
4. Hufpflege bei Trockenheit
Trockene Böden können zu spröden Hufen, Rissen und brüchigen Wänden führen.
- Strategie: Regelmäßiges Auskratzen und bei Bedarf Huföle oder -fette verwenden, um die Feuchtigkeit im Huf zu halten. Kurzes Abspritzen der Hufe vor dem Eincremen kann helfen, Feuchtigkeit zu speichern.
Herbst: Übergang und Vorbereitung
Der Herbst ist die Übergangszeit, in der Pferde ihr Winterfell entwickeln und sich auf die kälteren Monate vorbereiten. Auch hier lauern spezifische Gefahren.
1. Erneuter Fellwechsel
Wie im Frühling ist der Fellwechsel im Herbst energieintensiv. Die gleichen Unterstützungsmaßnahmen wie im Frühjahr sind hier angebracht.
2. Weideabweidung & Herbstgras
Auch im Herbst kann das Gras tückisch sein. Nach den ersten Nachtfrösten oder bei sonnigen Tagen nach kühlen Perioden können die Fruktanwerte noch einmal extrem ansteigen – das Herbstgras ist ein häufiger Auslöser für Koliken und Rehe.
- Strategie:
- Kontrolliertes Abweiden: Die Weidezeiten wieder reduzieren und langsam auf die Stallhaltung umstellen.
- Heu zufüttern: Auch im Herbst ist es ratsam, ausreichend Heu vor dem Weidegang anzubieten.
3. Gefahren von Fallobst und Giftpflanzen
Im Herbst fallen Äpfel, Birnen oder Nüsse von Bäumen. Auch wenn Pferde diese gerne fressen, kann eine zu große Menge zu Koliken und Verdauungsproblemen führen. Einige Baumfrüchte (z.B. Ahorn) sind giftig.
- Strategie: Regelmäßiges Absammeln von Fallobst und Kontrolle auf Giftpflanzen auf Weiden und in der Nähe des Stalls.
4. Immunsystem stärken
Vor dem Winter ist es wichtig, das Immunsystem zu stärken, um Infekten vorzubeugen.
- Strategie: Vitamin- und mineralstoffreiche Fütterung, ggf. spezielle Immunbooster in Absprache mit dem Tierarzt.
5. Stallvorbereitung für den Winter
- Belüftung: Prüfe die Belüftung im Stall – sie ist entscheidend, um Atemwegsproblemen im Winter vorzubeugen.
- Reparaturen: Überprüfe Tränken auf Frostsicherheit, repariere Zäune und sorge für trockene Lagerung von Heu und Stroh.
Winter: Kälte, Box und wenig Licht
Der Winter stellt besondere Anforderungen an die Haltung und Fütterung von Pferden.
1. Fütterung im Winter
Der Energiebedarf steigt bei Kälte, da das Pferd Energie zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur benötigt.
- Strategie:
- Raufutter, Raufutter, Raufutter: Die wichtigste Energiequelle im Winter ist ausreichend Heu (mind. 1,5-2 kg pro 100 kg Körpergewicht). Die Verdauung von Raufutter erzeugt Wärme.
- Wasserzufuhr fördern: Stelle sicher, dass die Tränken frostfrei sind. Biete bei Kälte zusätzlich warmes Wasser an, um die Trinkbereitschaft zu erhöhen. Eine ausreichende Wasseraufnahme ist entscheidend zur Kolikprophylaxe.
- Futteranpassung: Bei Bedarf kann der Kraftfutteranteil erhöht werden, insbesondere bei arbeitenden Pferden oder schwerfuttrigen Senioren. Mineralfutter ist ganzjährig wichtig.
2. Bewegung trotz Kälte
Auch im Winter brauchen Pferde Bewegung, um den Kreislauf anzuregen, Muskulatur aufzubauen und Verdauungsproblemen vorzubeugen.
- Strategie:
- Regelmäßige Bewegung: Auch bei Schnee und Kälte sollten Pferde die Möglichkeit zur Bewegung (Paddock, Reithalle, Ausreiten) haben.
- Aufwärmen und Trockenreiten: Sorge für ausreichendes Aufwärmen vor der Arbeit und gründliches Trockenreiten/-führen danach, um Unterkühlung zu vermeiden.
3. Hufpflege im Winter
- Matsch & Strahlfäule: Feuchte, matschige Paddocks und Boxen begünstigen Strahlfäule. Regelmäßiges Auskratzen und trockene Einstreu sind entscheidend.
- Schnee- und Eisstollen: Bei beschlagenen Pferden können spezielle Stollen helfen, das Festsetzen von Schnee und Eis in den Hufen zu verhindern und die Rutschfestigkeit zu erhöhen.
4. Atemwege & Stallklima
Im Winter verbringen Pferde oft mehr Zeit im Stall, was das Risiko für Atemwegsprobleme erhöht.
- Strategie:
- Gute Belüftung: Auch bei Kälte für ausreichende Frischluftzufuhr sorgen, ohne Zugluft zu erzeugen.
- Staubreduktion: Staubarmes Heu (ggf. bedampfen oder wässern), staubarme Einstreu (Späne, Leinstroh).
- Ammoniak: Regelmäßiges Misten, um Ammoniakbelastung zu reduzieren.
5. Haut & Fell im Winter
Die Entscheidung für oder gegen eine Decke hängt vom Pferd, der Haltung und dem Training ab.
- Strategie:
- Deckenmanagement: Bei geschorenen Pferden oder empfindlichen Rassen sind Decken sinnvoll. Achte auf passende Größen und regelmäßiges Lüften/Wechseln der Decken, um Scheuerstellen und Hautirritationen zu vermeiden.
- Fellpflege: Auch im Winter regelmäßiges Bürsten, besonders unter der Decke, um Hautprobleme frühzeitig zu erkennen.
Ganzjährige Präventionsstrategien: Die Basis für ein gesundes Pferdeleben
Unabhängig von der Jahreszeit gibt es Grundsätze, die das ganze Jahr über gelten und entscheidend für die Pferdegesundheit sind:
- Regelmäßige tierärztliche Routinechecks: Für Impfungen, Zahnkontrolle und allgemeine Gesundheitsvorsorge.
- Fachgerechte Hufpflege: Durch einen qualifizierten Hufschmied oder Barhufpfleger.
- Bedarfsgerechte und hochwertige Fütterung: Angepasst an Alter, Rasse, Leistung und Gesundheitszustand.
- Ausreichend Bewegung und Sozialkontakt: Für körperliches und seelisches Wohlbefinden.
- Saubere Haltungsumgebung: Gute Hygiene in Box, Paddock und auf der Weide.
- Beobachtung: Sei aufmerksam für kleinste Veränderungen im Verhalten oder Aussehen deines Pferdes.
- Stressmanagement: Minimiere Stressfaktoren, wo immer möglich.
- Individuelle Anpassung: Jedes Pferd ist anders. Was für das eine funktioniert, muss für das andere nicht optimal sein.
Fazit: Mit Wissen und Weitsicht durchs Pferdejahr
Die Gesundheit deines Pferdes ist ein fortlaufender Prozess, der sich mit den Jahreszeiten wandelt. Indem du die spezifischen Herausforderungen von Frühling, Sommer, Herbst und Winter verstehst und proaktive Präventionsmaßnahmen ergreifst, kannst du dazu beitragen, dass dein Pferd vital, ausgeglichen und vor allem gesund bleibt. Eine vorausschauende Pflege und ein wachsames Auge auf die Bedürfnisse deines Pferdes sichern nicht nur sein Wohlbefinden, sondern stärken auch eure Bindung und ermöglichen euch ein langes, glückliches gemeinsames Leben.